Schleifer's Pferde traben schon in der fünften Generation

Oft schon und immer wieder sagte man sie tot, die Volksbelustigung bei Kirmesfeiern und Schützenfesten. Aber trotz allem Tempo und aller Sensationen zwischen Himmel und Erde hält sich eine jahrhundertealte Attraktion bis heute auf dem Rummelplatz:

Das Pferdekarussell

Johann Schleifer, Schustergeselle und Metzger aus Füssenich bei Zülpich, besuchte als Kind oft die "Annakirmes" im nahegelegenen Düren. Mehr und mehr wurde er erfasst von der Faszination des Jahrmarktlebens. Es ließ ihm keine Ruhe und so kaufte er im Jahr 1878 in Frankreich sein erstes Pferdekarussell. Er ging also unter die Schausteller, und das zu einer Zeit, als eigentlich "nur" Komödianten und Fahrensleute diesen Beruf in Deutschland ausübten.

Johann Schleifer's erste Frau, die leider schon sehr früh verstarb, gebar zwei Söhne, Johann und Anton. Seine zweite Frau, Sybilla geborene Rey, brachte ebenfalls zwei Kinder zur Welt, eine Tochter namens Elisabeth und als jüngsten Sproß einen Knaben mit Namen Reiner.


Mündlichen Überlieferungen zu Folge stand Johann Schleifer bereits um 1900 mit einem Kettenkarussell auf dem Hamburger Dom, was in seiner Heimat Füssenich damals als kleine Sensation galt.

Ältester "urkundlicher" Beleg ist eine alte Postkarte, die Johann's Pferdekarussell im Jahr 1896 auf der Dürener Annakirmes zeigt. Später war es dort besser als Schleifer's Partiekarussell bekannt, wie die Dürener Zeitung 1913 schrieb.

Als Johann Schleifer 1915 starb, hinterliess er seiner Frau und seinen Kindern zwei Pferde- und ein Kettenkarussell, sowie drei Häuser im Heimatort Füssenich. Der älteste Sohn Johann übernahm ein Pferdekarussell und bereiste damit nach dem ersten Weltkrieg hauptsächlich die Nordeifel und den Dürener Raum. 1933 ließ er das Karussell, das bis dahin noch von einem Pferd in der Mitte angetrieben wurde, von der Kölner Karussellbaufirma Achtendong auf elektrischen Antrieb umrüsten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der alte Holzmast entfernt und durch einen Stahlmast ersetzt. Bis heute wurde diese Konstruktion nicht mehr verändert. Das Karussell befindet sich immer noch in einem fast originalen Zustand und ist jederzeit Einsatzbereit.
1946 fand in Düren die erste Annakirmes nach dem zweiten Weltkrieg statt. Obwohl der Krieg leichte Spuren an dem Fahrgeschäft hinterlassen hatte war Johann Schleifer jr. mit seinem Pferdekarussell dabei. Noch heute sind an den Bildern der Dachkante Einschusslöcher erkennbar, die von einem Fliegerangriff stammen.
Auch Johann Schleifer jr. nannte seinen ältesten Sohn Johann, was zu einigen Verwirrungen führte. Johann "jr.jr." übernahm das Pferdekarussell und übergab es 1981 wiederum an seinen Sohn Reiner. Dieser heiratete die Schaustellertochter Magda Thenen und hat mit ihr zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. 1999 war Reiner Schleifer gezwungen sein Karussell zu verkaufen. Glücklicherweise erfuhr sein Vetter Toni Schleifer rechtzeitig von dem geplanten Verkauf und konnte somit das Karussell des Urgroßvaters in der Familie erhalten.

Das zweite Pferdekarussell aus dem Nachlass Johann Schleifers sen. nahm die Tochter Elisabeth mit in die Ehe mit dem Schausteller Jakob Heekerens aus Geldern. Im oder kurz nach dem zweiten Weltkrieg verkaufte sie das Pferdekarussell und erwarb danach ein Kindersportkarussell. Ihr einziger Sohn - wiederum ein Johann - machte sich Mitte der fünfziger Jahre mit einem Imbißbetrieb Selbstständig.

Der dritte Sohn Johann Schleifers sen., Anton, reiste zunächst mit dem Kettenkarussell aus dem Nachlass seines Vaters, später mit einer Schiffschaukel und bis kurz vor seinem Tode noch mit einer handgetriebenen Gondelbahn. Anton Schleifer, der in seinen Jugendjahren als stärkster Mann der Welt und Kettensprenger bekannt geworden war, blieb trotz zweier Ehen kinderlos.

Der jüngste Sohn Johann Scheifers sen., Reiner, war zuerst vermutlich mit einem kleinen Kettenkarussell unterwegs, welches auch heute noch vorhanden ist. Um 1925 kaufte ihm seine Mutter eine große Schiffschaukel. Beim Kauf der Schaukel lernte Reiner die Schaustellertochter Susanne Kropp aus Düsseldorf kennen, heiratete sie kurz darauf und hat mit ihr drei Kinder: Franz, Elisabeth und Jakob.
In der Zeit um 1925 waren im Düren-Aachener Raum ca. 15 ähnliche Schiffschaukeln unterwegs und so sattelte Reiner kurze Zeit später auf einen der größten Kettenflieger seiner Zeit um. Widrige Umstände und schlechtes kaufmännisches Handeln führten leider zum Verkauf des Fliegers und zur Versteigerung seines Hauses. Reiner Schleifer ließ sich jedoch nicht beirren und fuhr schon im Jahr 1939 wieder mit einer Überschlagschaukel zur Dürener Annakirmes. Die Kriegswirren und die späte Einberufung Reiners im Jahr 1943 stürtzten seine Familie in große Armut.
Nach dem Kriege ging es aber wieder aufwärts und so war man 1946 schon wieder mit dem notdürftig reparierten Geschäft und dem kleinen Kettenflieger, der den Krieg zum Glück unbeschadet überstanden hatte, auf der ersten Nachkriegs-Annakirmes dabei. 1948 veräußerte man den "Looping the Loop" wieder und kaufte eine sogenannte Schmetterlingsbahn. Doch auch dieses Karussell blieb nicht lange im Besitz. Aufgrund nur mäßiger Umsätze verkaufte Reiner die kleine Raupe 1950 wieder und erwarb dann sein letztes Geschäft, ein Pferdekarussell.
Sein ältester Sohn Franz bekam 1957 ein Hängekarussell mit kleinen Pferden und an Stangen hängenden Autos. Er baute es später fast ausschließlich in Eigenarbeit zu einem Kindersportkarussell mit festem Boden und darauf fahrenden Autos um. Im Jahr 2000 verkaufte er dieses Karussell und setzte sich zur wohlverdienten Ruhe. Sein Sohn Adi setzt die Tradition weiter fort und fährt heute mit einem 1996 erworbenen neuen Kinderkarussell auf kleine Kirmesplätze im Umkreis von Düren.
Reiners Tochter Elisabeth unterhielt bis 1967 eine Schießbude. Dann heiratete sie einen Bezirksschornsteinfegermeister und zog mit ihm nach Merkstein bei Aachen.

Reiners jüngster Sohn Jakob übernahm das Pferdekarussell 1965. Er und sein Sohn Toni bereisen damit heute immer noch einige Kirmesplätze, beispielsweise in diesem Jahr zum fünfzigsten Male die vielzitierte Annakirmes in Düren und das Neusser Bürgerschützenfest, den Weihnachtsmarkt in Düren und einige kleine Kirmesplätze in der näheren Umgebung. 1979 kaufte Jakob Schleifer einen "Babyflug" hinzu, den sein Sohn Toni, der bis dahin schon drei Jahre mit einer kleinen Verlosung selbständig war, 1997 übernahm. Seit 1999 betreibt Toni Schleifer ebenfalls das Pferdekarussell aus dem Notverkauf seines Vetters. Mit beiden Karussells ist er erfolgreich auf den Euskirchener Kirmesplätzen vertreten, wo das Pferdekarussell des Urgroßvaters Johann wohl schon seit über hundert Jahren anzutreffen ist.


 

Die Familie Schleifer beim 100jährigen Gründungsfest 1978

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